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  1. #1

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    Lüge und Leben

    ...oder die Welten zwischen Arm und reich

    Hey Leute

    Fragt mich nicht, was mich geritten hat, dass zu schreiben, aber ich freue mich sehr über jegliche Art von Feedback!

    Grüsse von Päng

    Wieso sagst du mir, es geht dir nicht gut? Wenn ich mich umsehe, dann erblicke ich ein Haus, eine Familie, Freunde, überall lachende Gesichter… Und du willst mir erklären, es geht dir nicht gut? Was willst du denn noch? Willst du Geld? Das hast du bereits, wie sonst liesse sich das teure Auto vor deinem Haus erklären, oder die Designermöbel, auf denen es sich die Leute mit den Sektgläsern bequem gemacht haben… Willst du Ruhm? Auch daran fehlt es dir nicht, an deiner Wand hängen Auszeichnungen über Auszeichnungen: Bester Fussballspieler der Schülermannschaft, Klassenbester, Jahrgangsbester, bestes Abitur, beliebtester Mitarbeiter, beliebtester Chef… Man kann sie gar nicht alle zählen, so viele sind es. Willst du etwas, worauf du stolz sein kannst? Du hast wundervolle Kinder, die dir in Intelligenz und Sozialer Kompetenz in nichts nachstehen, und eine bildhübsche, intelligente Frau, mit der du dich an jeder Dinerparty sehen lassen kannst, weil sie einfach in allem gut aussieht und unfehlbare Manieren hat. Also, wieso geht es dir nicht gut?

    Ich sehe, wie du in deiner kleinen 3 ½ Wohnung vor dich hin vegetierst und dir mit kleinen Nebenjobs das nötige Geld zusammenkratzt, um die Miete bezahlen zu können. Du musst deine Kleidung über deinem Bett trocknen, weil im Wohnzimmer kein Platz ist und ernährst dich von Nudeln mit Fertigsaucen, weil du dir zum einen nichts anderes leisten kannst und zum anderen unfähig bist, etwas aufwändigeres zu kochen. Am Morgen fährst du mit einem alten Rennrad zur Uni und quetschst dir den ganzen Tag das Hirn aus, um irgendwie in der Vorlesung mitzukommen. Zuhause angekommen, stellst du nur rasch deine Sachen ab, gleich darauf verschwindest du wieder, um in irgendeinem Laden auszuhelfen, in irgendeinem unbekannten Club mit deiner Gitarre zu spielen, das Geld zu verdienen, welches du benötigst, um wenigstens deine Grundbedürfnisse decken zu können. Am Abend gehst du dann mit Freunden weg, manchmal geht ihr im McDonalds was holen, manchmal kauft ihr euch auch nur ein Sixpack Mischbier und setzt euch in den Park. Macht Musik bis spät Abends und schliesslich schlenderst du, dein Rennrad neben dir her stossend, wieder zurück in deine kleine Wohnung. Du hast immer gekämpft, das zu erreichen, was du wolltest, warst nie der Beste, nie der Schnellste, nie der Klügste oder hast es in die höchste Position geschafft. Du standest nie im Rampenlicht, und Geld hast du offensichtlich auch nicht im Übermass. Warum also ist dein Lachen ehrlich und nicht meines?

    Wenn ich am Morgen aufstehe, schaue ich als erstes auf den zerkratzten Display meines Handys und antworte allen Nachrichten. Meist sind es nicht allzu viele, deswegen geht es recht schnell, aber mindestens eine ist immer dabei, die mich zum Lachen bringt. Wenn einer meiner Mitstudenten mich fragt, in welchem Gebäude wir denn heute Schule haben und ich ihm sage, dass es in der ganzen Stadt nur eine Uni gibt, oder wenn einer meiner Freunde mir nach einer durchzechten Nacht von seinen Erlebnissen erzählt. Ein Grinsen huscht über mein Gesicht, und schon startet mein Tag mit einem guten Gefühl. Unter der Dusche lasse ich immer meine Lieblingsmusik laufen, meine Wohnung ist zwar winzig klein, aber gut isoliert und ich kann darin machen, was ich will. Während ich mich fertig mache, um in die Vorlesung zu gehen, singe ich aus voller Lautstärke zu den Songs, welche laufen und überlege mir, ob ich sie vielleicht bald mal performen kann. Manchmal summe ich auch eine eigene Melodie, nicht selten entwickelt sich in den unmöglichsten Situationen ein Text dazu. Neue Lieder entstehen, die ich in meinem Kopf abzuspeichern versuche, um sie nicht zu vergessen und später aufzuschreiben, während ich meine Zähne putze und auch schon zu meinem Fahrrad eile. Unterwegs treffe ich mich immer mit dem Mädchen, das mit mir die Kurse besucht. Sie ist nicht die Schönste, aber die hat einen unglaublich warmen und goldigen Charakter und wenn sie lächelt, dann zaubert mir das jedes Mal ein Grinsen ins Gesicht und Schmetterlinge in den Bauch. Ich steige von meinem Rad ab und gemeinsam laufen wir das letzte Stück. Manchmal hält sie mir unerwartet ein Brötchen oder einen Kaffee hin, das ist dann die vermutlich appetitlichste Mahlzeit, die ich am Tag zu mir nehme. Nach der Uni gehe ich in einen Laden und verkaufe den Leuten Dinge, wobei oft tolle Gespräche entstehen und ich erfahre so viel aus ihrem Leben, dass ich fünfzig Bücher damit füllen könnte und auch Abends weiss ich, dass ich nie allein bin, irgendeiner meiner Freunde setzt sich immer mit mir in den Park und wir lachen gemeinsam über Dinge, die wir erlebt haben oder erzählen uns von unseren Mädchen, unseren Träumen und unseren Ängsten. Manchmal machen wir, wenn wir in der Stimmung dazu sind, auch Musik und wenn genug Alkohol im Spiel ist, grölen wir irgendetwas dazu, was auch schon dazu geführt hat, dass wir verjagt wurden. Doch jeder meiner Tage ist einzigartig, weil ich so wunderbare Leute um mich herum habe, ich muss nicht der Beste, der Schnellste, der Reichste oder der Intelligenteste sein, um zu begreifen, das dieses Leben mich erfüllt und ich strahlend meiner Zukunft entgegensehe. Ich bin glücklich, mein Lachen ist echt, weil mein Leben echt ist.

    Morgens stehe ich auf und das erste, was mir einfällt, ist, ob ich noch einen Anzug habe, den ich heute tragen kann. Hektisch laufe ich ins Bad und rasiere mich, danach versuche ich wie jeden Morgen, mir verzweifelt die Krawatte selbst zu binden. Ich muss dabei immer unglaublich leise sein, weil unser Designerbad nur eine Schiebetür hat und diese so schlecht isoliert. Dann gehe ich in die Küche, lasse mir einen Kaffee aus der Maschine und sehe mir hastig meinen Terminkalender an. Wie immer stelle ich fest, dass ich etwa an drei Orten gleichzeitig sein müsste, und noch während ich frühstücke, sage ich irgendwo einen Termin ab, einen anderen zu, rufe im Büro an und sage meiner Sekretärin, was zu tun ist und wenn ich dann endlich den alltäglichen Morgenstress hinter mir habe und aus dem Haus gehe, ist es erst halb sieben und meine Kinder wachen gerade eben auf. Ich konnte noch nie mit ihnen frühstücken, das macht meine Frau… Im Büro werde ich von niemandem begrüsst, ich bin ihr Chef, ich habe das sagen und jeder weiss, dass ich morgens nicht gut drauf bin, also lässt man mich in Ruhe. Ganz einfach ist das… Ich setze mich an meinen Mahagonitisch und erledige einige Telefonate, dabei blicke ich auf das Foto, welches auf unserer letzten Grillparty geschossen wurde. Etwa zwanzig Gäste, alle in den besten Klamotten, mit den feinsten Kristallgläsern in der Hand und sogar die Kinder sind in ihren weissen Blusen und Hemden komplett unbefleckt. Eine piekfeine Gesellschaft, geschlossen unter sich und für niemanden ohne Geld und teurer Karre erreichbar. Doch die Gesichter sind allesamt kalt und regungslos, das Lächeln wirkt einstudiert und die Augen scheinen aus Eis zu sein. In der Mitte des Bildes ich mit meiner Frau, ich habe den Arm um sie gelegt, sie ihr künstliches Lächeln aufgesetzt und ein Sektglas so in ihrer Hand drapiert, dass der vergoldete Ehering besonders gut zum Vorschein kommt. Ich konnte ihr diesen bezahlen, ich hatte Geld. Nun habe ich noch mehr Geld, zwei Kinder und eine Frau, doch ich habe nur Freunde, weil ich derjenige mit den Kristallgläsern bin und sie regelmässig zu mir einlade, ansonsten kriege ich nichts von ihnen zu hören, sie melden sich nie bei mir, nehmen immer nur, was ich ihnen gebe und wollen nichts zurückgeben, nicht einmal in Form einer einzigen Einladung an uns. Ich habe eine Frau, die nach aussen alle Manieren, die man zu beherrschen hat, perfekt rüberbringt, doch in den eigenen vier Wänden eine einfältige, uninteressante Dame in den Wechseljahren ist, die ständig Diäten macht, um in ihre Cocktailkleider zu passen und deswegen oft unausstehlich ist. Meine Kinder kenne ich nur anhand ihrer Noten, denn mehr als ihre Zeugnisse bekomme ich von ihnen selten zu sehen. Ich habe gemerkt, mir meinen Frust nicht ansehen zu lassen, und das Lächeln mit den eisigen Augen von meiner Frau abgekuckt, doch es ist eine Lüge. Genau wie mein Leben.


    Kleine Anmerkung am Rande: Der Text bezieht sich auf fiktive Personen und hat nichts mit meinem Leben zu tun, bevor irgendjemand etwas falsch interpretiert...

  2. Nach oben    #2
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    Huii, das hat mir eine Gänsehaut verursacht ist dir richtig gut gelungen und hat mich zum Nachdenken angeregt^^ ich fänd's klasse, wenn du noch so einen Text schreiben könntest

  3. Nach oben    #3
    Avatar von BlackWater
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    Richtig gut!
    Wirklich toll gelungen ^^

  4. Nach oben    #4
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    Ich mag Deine Art zu schreiben. Eines jedoch hat mich etwas irritiert: Kleine 3 1/2 Wohnung???

  5. Nach oben    #5

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    @ Sgt.Slickbooty

    Hast natürlich recht, ist ein ziemlicher Logikfehler, mit 3 1/2 Zimmern meinte ich natürlich Küche und Esszimmer (in einem, deswegen 1 1/2), Bad (1) Schlafzimmer (1). Mir ist erst im Nachhinein bewusst geworden, dass das natürlich keine 3 1/2 Zimmer-Wohnung ist, aber wenn wir in Freundeskreisen reden, meinen wir das damit... Ich hoffe, der Fehler hat nicht gar arg gestört und bedanke mich, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast...

  6. Nach oben    #6
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    Naja, selbst dann ist es noch eine große Wohnung für einen "armen Studenten". Wer im Studium wirklich kaum Geld hat, wohnt meist in Einraumwohnungen - separates Schlafzimmer ist Luxus.

    Von meinen Freunden hat damals einer auf 13qm gewohnt; eine andere auf 14qm. Das sind kleine Wohnungen, aber unter Studenten nicht so unüblich. Wie Du das skizzierst, hätte das ja immerhin schon so 25-30qm. Minimum.

  7. Nach oben    #7

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    @ Sgt.Slickbooty
    Da merkt man wohl, dass ich erst noch Studentin werden muss, bevor ich da richtig mitreden kann!

    12 qm sind echt klein, ich habe mal aus Interesse versucht, eine Wohnung zu rekonstruieren, die eine Gesamtfläche von 12 qm hatte (nahm die Masse 3mx4m für den Grundriss) und es wurde wirklich ziemlich eng. Ich weiss auch gar nicht, ob das als Wohnung zählen würde, denn ich habe das Bett einfach ins "Wohnzimmer" gestellt. (Das wäre dann etwa eine 1-Raum-Wohnung, wie du sie beschrieben hast, oder?) Bei 15 qm (Masse 5mx3m) habe ich dann eine "Wohnung", wie ich sie beschrieben habe, hingekriegt, sogar mit Kleiderschrank und einem 160cmx200cm Bett (also Doppelbett), aber man würde dafür laut meinen Berechnungen die Tür nicht mehr ganz aufkriegen und müsste immer die Stühle ganz an den Tisch schieben, um in die Küche zu gelangen. Ausserdem musste ich den Kühlschrank "aufhängen", weil ich keinen Platz mehr gefunden habe, was natürlich auch nicht sehr realistisch ist, also sagen wir unter dem Strich: Ja, du hast recht, ich denke, die Wohnung, die ich beschrieben habe hätte so etwa die Ausmasse von 20-25qm, aber wenn wir mal ganz optimistisch sind, könnte man sagen, man würde es auch auf 15 qm zusammenpferchen können

    Ich möchte mich übrigens an dieser Stelle noch einmal herzlich für euer positives Feedback bedanken und dir, Sgt.Slickbooty auch für deine Verbesserungsvorschläge, hab wieder was dazu gelernt ...

  8. Nach oben    #8
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    Bett mit 160x200cm? Kleiderschrank? Du machst Dir da immer noch etwas falsche Vorstellungen, zumal in Deiner Rechnung gar kein Badezimmer vorkommt, was alleine ja schon so ca. 2,5-3,0qm in Anspruch nimmt.

    Ich skizziert das mal, wie das in etwa aussah:

    Wohnungstüre --> Eingangsflur mit ca. 100x160cm. Entlang der Seite Regale bis zur Decke mit ca. 40-50cm Tiefe, worin auch die Kleidung, teils in Einschubkisten, gelagert wurde.

    --> Quadratischer Raum mit ca. 260x280cm. Darin: Kleiner Schreibtisch, Schlafcouch, kleines Regal mit Grundfläche von ca. 40x25cm für Lebensmittel, Miniküche mit zwei Elementen a 80cm und einem Hängeschrank. Alles entlang der Wände. In der Mitte war genau genug Platz für einen Minicouchtisch (irgendwo muss man ja essen...) und einen Schreibtischstuhl. Um die Schlafcouch auszuklappen war es notwendig, den Couchtisch in den Flur und den Schreibtischstuhl ganz in die Ecke zu schieben.

    --> Seitlich vom Flur Bad mit Dusche. Keine Waschmaschine, etc., aber unter der Decke noch Regale über die gesamte Breite des Raumes für Staubsauger, Putzkram, etc.

    Ende im Gelände.


    Meine Wohnung damals war vergleichsweise luxuriös, mit einem ca. 24qm-Schlaf/Wohnraum, ner kleinen Abstellkammer, nem Bad mit Wanne, separater Küche und Balkon. Von denjenigen aus meinem Freundeskreis, die nicht in ner WG gewohnt haben, hatte ich mit diesen ca. 44qm die größte Wohnfläche. Und nur einer von uns hatte einen separaten Schlafraum!

    Mag nicht in jeder Unistadt so sein, aber gerade in den etwas kleineren Orten ist Wohnraum für Studenten oftmals ziemlich knapp und entsprechend teuer.


    Aber genug davon, darum soll es ja hier gar nicht gehen.

  9. Nach oben    #9
    Avatar von T.K.
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    Ist wirklich schön geschrieben

    Romantisiert zwar das Studentenleben ein wenig aber die Aussage ist einfach zu wahr, man braucht einfach gute Freunde um glücklich zu sein (es sei denn man ist der totale Einzelgänger)

    Abends weiss ich, dass ich nie allein bin, irgendeiner meiner Freunde setzt sich immer mit mir in den Park und wir lachen gemeinsam über Dinge, die wir erlebt haben
    Gerade das sind ja die schönen Zeiten, bei mir wars zwar n Stückle und kein Park, aber gemeinsam am Feuerchen hocken, grillen, Bier trinken und über alles labern was eim so durchs Gehirn funkt - so könnte das Leben immer sein

    Und noch zum Thema wohnen: In Stuttgart zahlt man schon für 14m² etwa 400€+ da hat kaum jemand mehr und die meisten 2 Nebenjobs


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