...oder die Welten zwischen Arm und reich
Hey Leute
Fragt mich nicht, was mich geritten hat, dass zu schreiben, aber ich freue mich sehr über jegliche Art von Feedback!
Grüsse von Päng
Wieso sagst du mir, es geht dir nicht gut? Wenn ich mich umsehe, dann erblicke ich ein Haus, eine Familie, Freunde, überall lachende Gesichter… Und du willst mir erklären, es geht dir nicht gut? Was willst du denn noch? Willst du Geld? Das hast du bereits, wie sonst liesse sich das teure Auto vor deinem Haus erklären, oder die Designermöbel, auf denen es sich die Leute mit den Sektgläsern bequem gemacht haben… Willst du Ruhm? Auch daran fehlt es dir nicht, an deiner Wand hängen Auszeichnungen über Auszeichnungen: Bester Fussballspieler der Schülermannschaft, Klassenbester, Jahrgangsbester, bestes Abitur, beliebtester Mitarbeiter, beliebtester Chef… Man kann sie gar nicht alle zählen, so viele sind es. Willst du etwas, worauf du stolz sein kannst? Du hast wundervolle Kinder, die dir in Intelligenz und Sozialer Kompetenz in nichts nachstehen, und eine bildhübsche, intelligente Frau, mit der du dich an jeder Dinerparty sehen lassen kannst, weil sie einfach in allem gut aussieht und unfehlbare Manieren hat. Also, wieso geht es dir nicht gut?
Ich sehe, wie du in deiner kleinen 3 ½ Wohnung vor dich hin vegetierst und dir mit kleinen Nebenjobs das nötige Geld zusammenkratzt, um die Miete bezahlen zu können. Du musst deine Kleidung über deinem Bett trocknen, weil im Wohnzimmer kein Platz ist und ernährst dich von Nudeln mit Fertigsaucen, weil du dir zum einen nichts anderes leisten kannst und zum anderen unfähig bist, etwas aufwändigeres zu kochen. Am Morgen fährst du mit einem alten Rennrad zur Uni und quetschst dir den ganzen Tag das Hirn aus, um irgendwie in der Vorlesung mitzukommen. Zuhause angekommen, stellst du nur rasch deine Sachen ab, gleich darauf verschwindest du wieder, um in irgendeinem Laden auszuhelfen, in irgendeinem unbekannten Club mit deiner Gitarre zu spielen, das Geld zu verdienen, welches du benötigst, um wenigstens deine Grundbedürfnisse decken zu können. Am Abend gehst du dann mit Freunden weg, manchmal geht ihr im McDonalds was holen, manchmal kauft ihr euch auch nur ein Sixpack Mischbier und setzt euch in den Park. Macht Musik bis spät Abends und schliesslich schlenderst du, dein Rennrad neben dir her stossend, wieder zurück in deine kleine Wohnung. Du hast immer gekämpft, das zu erreichen, was du wolltest, warst nie der Beste, nie der Schnellste, nie der Klügste oder hast es in die höchste Position geschafft. Du standest nie im Rampenlicht, und Geld hast du offensichtlich auch nicht im Übermass. Warum also ist dein Lachen ehrlich und nicht meines?
Wenn ich am Morgen aufstehe, schaue ich als erstes auf den zerkratzten Display meines Handys und antworte allen Nachrichten. Meist sind es nicht allzu viele, deswegen geht es recht schnell, aber mindestens eine ist immer dabei, die mich zum Lachen bringt. Wenn einer meiner Mitstudenten mich fragt, in welchem Gebäude wir denn heute Schule haben und ich ihm sage, dass es in der ganzen Stadt nur eine Uni gibt, oder wenn einer meiner Freunde mir nach einer durchzechten Nacht von seinen Erlebnissen erzählt. Ein Grinsen huscht über mein Gesicht, und schon startet mein Tag mit einem guten Gefühl. Unter der Dusche lasse ich immer meine Lieblingsmusik laufen, meine Wohnung ist zwar winzig klein, aber gut isoliert und ich kann darin machen, was ich will. Während ich mich fertig mache, um in die Vorlesung zu gehen, singe ich aus voller Lautstärke zu den Songs, welche laufen und überlege mir, ob ich sie vielleicht bald mal performen kann. Manchmal summe ich auch eine eigene Melodie, nicht selten entwickelt sich in den unmöglichsten Situationen ein Text dazu. Neue Lieder entstehen, die ich in meinem Kopf abzuspeichern versuche, um sie nicht zu vergessen und später aufzuschreiben, während ich meine Zähne putze und auch schon zu meinem Fahrrad eile. Unterwegs treffe ich mich immer mit dem Mädchen, das mit mir die Kurse besucht. Sie ist nicht die Schönste, aber die hat einen unglaublich warmen und goldigen Charakter und wenn sie lächelt, dann zaubert mir das jedes Mal ein Grinsen ins Gesicht und Schmetterlinge in den Bauch. Ich steige von meinem Rad ab und gemeinsam laufen wir das letzte Stück. Manchmal hält sie mir unerwartet ein Brötchen oder einen Kaffee hin, das ist dann die vermutlich appetitlichste Mahlzeit, die ich am Tag zu mir nehme. Nach der Uni gehe ich in einen Laden und verkaufe den Leuten Dinge, wobei oft tolle Gespräche entstehen und ich erfahre so viel aus ihrem Leben, dass ich fünfzig Bücher damit füllen könnte und auch Abends weiss ich, dass ich nie allein bin, irgendeiner meiner Freunde setzt sich immer mit mir in den Park und wir lachen gemeinsam über Dinge, die wir erlebt haben oder erzählen uns von unseren Mädchen, unseren Träumen und unseren Ängsten. Manchmal machen wir, wenn wir in der Stimmung dazu sind, auch Musik und wenn genug Alkohol im Spiel ist, grölen wir irgendetwas dazu, was auch schon dazu geführt hat, dass wir verjagt wurden. Doch jeder meiner Tage ist einzigartig, weil ich so wunderbare Leute um mich herum habe, ich muss nicht der Beste, der Schnellste, der Reichste oder der Intelligenteste sein, um zu begreifen, das dieses Leben mich erfüllt und ich strahlend meiner Zukunft entgegensehe. Ich bin glücklich, mein Lachen ist echt, weil mein Leben echt ist.
Morgens stehe ich auf und das erste, was mir einfällt, ist, ob ich noch einen Anzug habe, den ich heute tragen kann. Hektisch laufe ich ins Bad und rasiere mich, danach versuche ich wie jeden Morgen, mir verzweifelt die Krawatte selbst zu binden. Ich muss dabei immer unglaublich leise sein, weil unser Designerbad nur eine Schiebetür hat und diese so schlecht isoliert. Dann gehe ich in die Küche, lasse mir einen Kaffee aus der Maschine und sehe mir hastig meinen Terminkalender an. Wie immer stelle ich fest, dass ich etwa an drei Orten gleichzeitig sein müsste, und noch während ich frühstücke, sage ich irgendwo einen Termin ab, einen anderen zu, rufe im Büro an und sage meiner Sekretärin, was zu tun ist und wenn ich dann endlich den alltäglichen Morgenstress hinter mir habe und aus dem Haus gehe, ist es erst halb sieben und meine Kinder wachen gerade eben auf. Ich konnte noch nie mit ihnen frühstücken, das macht meine Frau… Im Büro werde ich von niemandem begrüsst, ich bin ihr Chef, ich habe das sagen und jeder weiss, dass ich morgens nicht gut drauf bin, also lässt man mich in Ruhe. Ganz einfach ist das… Ich setze mich an meinen Mahagonitisch und erledige einige Telefonate, dabei blicke ich auf das Foto, welches auf unserer letzten Grillparty geschossen wurde. Etwa zwanzig Gäste, alle in den besten Klamotten, mit den feinsten Kristallgläsern in der Hand und sogar die Kinder sind in ihren weissen Blusen und Hemden komplett unbefleckt. Eine piekfeine Gesellschaft, geschlossen unter sich und für niemanden ohne Geld und teurer Karre erreichbar. Doch die Gesichter sind allesamt kalt und regungslos, das Lächeln wirkt einstudiert und die Augen scheinen aus Eis zu sein. In der Mitte des Bildes ich mit meiner Frau, ich habe den Arm um sie gelegt, sie ihr künstliches Lächeln aufgesetzt und ein Sektglas so in ihrer Hand drapiert, dass der vergoldete Ehering besonders gut zum Vorschein kommt. Ich konnte ihr diesen bezahlen, ich hatte Geld. Nun habe ich noch mehr Geld, zwei Kinder und eine Frau, doch ich habe nur Freunde, weil ich derjenige mit den Kristallgläsern bin und sie regelmässig zu mir einlade, ansonsten kriege ich nichts von ihnen zu hören, sie melden sich nie bei mir, nehmen immer nur, was ich ihnen gebe und wollen nichts zurückgeben, nicht einmal in Form einer einzigen Einladung an uns. Ich habe eine Frau, die nach aussen alle Manieren, die man zu beherrschen hat, perfekt rüberbringt, doch in den eigenen vier Wänden eine einfältige, uninteressante Dame in den Wechseljahren ist, die ständig Diäten macht, um in ihre Cocktailkleider zu passen und deswegen oft unausstehlich ist. Meine Kinder kenne ich nur anhand ihrer Noten, denn mehr als ihre Zeugnisse bekomme ich von ihnen selten zu sehen. Ich habe gemerkt, mir meinen Frust nicht ansehen zu lassen, und das Lächeln mit den eisigen Augen von meiner Frau abgekuckt, doch es ist eine Lüge. Genau wie mein Leben.
Kleine Anmerkung am Rande: Der Text bezieht sich auf fiktive Personen und hat nichts mit meinem Leben zu tun, bevor irgendjemand etwas falsch interpretiert...
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