Okay, das klingt jetzt sehr komisch, aber dieses Thema richtet sich an alle die, die sich seit mindestens 5 Jahren als Emos sehen, Teil der Szene sind oder seit so langer Zeit mit der Szene abhängen.
Die Fragen des Themas sind:
- Wann seid ihr zur Szene gekommen?
- Wie seid ihr zur Szene gekommen?
- Wie war die Szene bei euch, als ihr auf den Zug aufgestiegen seid?
- Was waren eure damaligen Ideale/Musikvorlieben/Stylemerkmale?
- Was hat sich im Laufe der Zeit eurer Meinung nach verändert?
- Was vermisst ihr?
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Meine Antworten:
- Wann seid ihr zur Szene gekommen?
Ich bin vor knapp 8 Jahren auf die Szene aufmerksam geworden und konnte mich fast schon sofort damit identifizieren.
- Wie seid ihr zur Szene gekommen?
Ich war damals noch ein absoluter StiNo, der so gut wie keine Freunde hatte, da er sowohl von der Herkunft als auch von den Hobbys nicht zur Masse passte (Gamer, Anime-Fan, Freak, Fußball-Hasser).
Auch richtige Individualität/Persönlichkeit besaß ich zu dem Zeitpunkt nicht, da ich nichts hatte, über das ich mich definieren konnte (hab zwar Judo und Triathlon gemacht, aber das auch nur auf Kommando meines Vaters - ich war also auch kein echter Sportler).
Einen Musikgeschmack hatte ich auch noch nicht, da ich nirgendwo außer zuhause Musik gehört habe (und da nur Brasilianische Musik von meiner Mutter, die schon immer nur Hintergrundrauschen für mich war) - ich kannte einfach nichts.
Bei nem Einkaufsbummel durch Saarbrücken hab ich dann ein paar schwarz gekleidete Gestalten etwa in meinem Alter gesehen, welche ich direkt gefragt hab, was das für ein cooler Style ist. Antwort: "Emo alter. Noch nie sowas gesehen?", worauf ich mir gleich mal die Telefonnummer von einem Typen namens "Fussel" aufgeschrieben hab.
Am Wochenende darauf war ich mal bei ihm zu Besuch und hab mich "aufklären" lassen, was es mit der Szene auf sich hat und hab bei dem Gespräch immer mehr gemerkt, dass das ganze Konzept dahinter total zu mir passt. Ich hatte damals mein erstes wirklich bewegendes Erfolgserlebnis, da ich etwas gefunden hatte, womit ich mich identifizieren konnte.
- Wie war die Szene bei euch, als ihr auf den Zug aufgestiegen seid?
Als ich zur Szene gekommen bin, waren die Leute noch alle ziemlich zerstreut. Wir haben uns damals einfach so spontan in der Saarbrücken getroffen und es war mehr ein ungezwungenes Abhängen von Gleichgesinnten mit Musik von nem CD-Player im Hintergrund.
Die Szene war damals viel mehr als nur ein Trend, der absolut undefinierbar ist, wie heute. Die Musik half uns, uns innerlich abzureagieren, die Treffen haben wir genutzt um über unsere Probleme zu sprechen und uns einfach schöne Tage zu machen und.
- Was waren eure damaligen Ideale/Musikvorlieben/Stylemerkmale?
Wir haben damals hauptsächlich Killswitch Engage, As I lay dying und Caliban, aber auch ein paar andere, deren Namen ich mir nie gemerkt hab, gehört.
Klingt vielleicht für die meisten seltsam, aber es war bei uns sogar so ne kleine Gewohnheit, dass die meisten Klamotten getragen haben, die farblich (also die Kontrastfarbe zum restlichen schwarz) ein wenig unsere Stimmung wiederspiegelte. Bei mir standen die Farben weiß für neutral, orange für besonders gute Laune, lila für miese Stimmung und ganz schwarz für dicke Probleme.
Damals haben bei uns auch fast alle Typen schwarzes Augenmakeup getragen und die Haare waren bei ausnahmslos allen entweder Natur oder schwarz gefärbt - nur ein paar wenige hatten noch eine Kontrastfarbe im Pony.
Was die ideale anging waren wir nicht wie das bekannte Cliché. Klar, haben sich bei uns ein paar Leute geritzt, allerdings nur so ein paar Ritzer auf den Armen und nicht wie heute dieses halbe Pulsadern-Aufschlitzen das aussieht, als hätte man seinen Arm in einen Mixer gehalten.
Wir waren ne (wer hätt's gedacht) recht emotionale Truppe, die sich bei den Treffen ausgekotzt und ihren Gefühlen freien Lauf gelassen hat. Das galt sowohl für Trauer, als auch für Freude und Liebe. Wir haben uns gegenseitig aufgemuntert und hatten viel Spaß zusammen.
- Was hat sich im Laufe der Zeit eurer Meinung nach verändert?
Was sich leider verändert hat war, dass fast alle aus der damaligen Szene mit der Zeit verschwunden sind. Einige sind weggezogen, andere hatten sich aus unbekannten Gründen von der Szene getrennt, ein paar (unter anderem Fussel durch nen Unfall) weilen nicht mehr unter uns~
Natürlich sind immer wieder neue dazugekommen, aber diese waren immer extrem jung und haben sich meist entweder gar nicht mit der Szene beschäftigt oder einfach ihre Ideale aus den Vorurteilen und den Clichés mitgebracht. Sehr sehr viele der Kiddies kamen auch mit der Vorstellung zu uns, Emo und Scene-Kids seien das selbe, da die Frisur ähnlich war und das hat sich mit der Zeit auch einfach durchgesetzt.
Die finale Entwicklung in meinen Augen ist: Von der damaligen Szene ist eigentlich so gut wie gar nichts mehr übrig geblieben, bis auf ein paar Fragmente wie einige Äußerlichkeiten, die Musikrichtung und ich. Dass ich der Einzige (mir bekannte) Emo von damals im Saarland bin, ist nicht besonders verwunderlich, wenn man bedenkt, wie klein das Saarland ist und wie wenig Leute wir immer waren (immer so zwischen 20 und 40 Leuten).
- Was vermisst ihr?
Eigentlich fast alles. Das Gemeinschaftsgefühl, die Bedeutung unseres Looks, die Stimmungsringe, das Gezetere von Fussel über die Wannabes, der Hype um Alex Evans, ja sogar irgendwie die Schläge-Drohungen der Punks von nebenan.
So und wie sieht's mit euch aus? Wie war es bei euch so?
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